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VOLKSTÄNZE:

Ihre Entstehung, Geschichte,

Bedeutung und Funktionen für das Volk

 

Prof . Dr. Ali Uçar

„Wenn du sprechen kannst, kannst du singen und wenn du gehen kannst, kannst du auch tanzen.“

(Afrikanisches Sprichwort)

Leben ist Tanz, Tanz ist Leben (Sprichwort)

Der Volkstanz ist eine spezifische historische Erscheinungsform des künstlerischen Volksschaffens. Mit anderen Worten, er ist ein bedeutender und lebendiger Ausdruck der geistigen und materiellen Kultur eines Volkes.

Die Naturvölker drückten in ihren Tänzen unmittelbare Naturempfindungen und somit auch ihre Beobachtungen aus, z. B. zum Verhalten der Tiere und zum Wachstum der Pflanzen. Ebenfalls stellten sie im Tanz den Prozess von Arbeitsvorgängen dar. Im Anfangsstadium der Entwicklung standen fast nur Arbeitsbewegungen im Vordergrund, später erweiterten sich die Ausdrucksformen des Tanzens durch die Wiedergabe von Gebräuchen und auch Spielen. Außerdem traten heroische und lyrische Themen im Tanz in Erscheinung.

Im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklungen kommt es dazu, dass eine Reihe von Elementen des Tanzens sich zurückbilden und andere, neue hinzukommen. Der Tanz formt sich allmählich im Bewusstsein des Volkes. Fremde, in den Tanz hineingetragene Elemente, sind nur von kurzer Dauer und sterben in der Regel schnell wieder ab. Aber alles, was den volkstümlichen Charakter und das Gefühl des Volkes wiedergibt, bleibt bestehen und so wird von Generation zu Generation das Typische und Charakteristische überliefert.

Manche Volkstänze sind so kunstreich und vollkommen, dass sie über die Bedeutung der nationalen Kunst hinausgehen und zum Gemeingut aller Völker werden und somit auch die beruflich ausgeübte Tanzkunst bereichern.

Die Schöpfer und Ausübenden des Volkstanzes waren vor allem Hirten, Bauern und Handwerker. Der Volkstanz wird im Allgemeinen im Kollektiv ausgeübt, ist jedoch nicht professionell.

Der Volkstanz ist eine unmittelbare künstlerische Gestaltung des Fühlens, Denkens und Handelns eines Volkes. Er spiegelt das Leben der Menschen, von denen er geschaffen und ausgeübt wird, wieder. Bei wichtigen Ereignissen, wie Jahreszeitenwechsel, Geburt, Beschneidung, Hochzeit oder Tod hat der Volkstanz eine besonders große Bedeutung. Aber auch bäuerliche Vorgänge, wie zum Beispiel Säen, Ernten, Fischen und Spinnen werden wiedergegeben.

Volkstänze können also Kulturtänze, Beschwörungstänze, Kriegstänze oder auch Tiertänze sein. Sie sind ausgesprochen volkstümlich geprägt und die spezifischen gesellschaftlichen und psychischen Besonderheiten eines jeden Volkes sind in ihrer Gestalt enthalten.

Sowohl damals als auch heute haben die Herrschenden eines Volkes die Tänze nur dann akzeptiert, wenn sie nicht aktiv gegen die Interessen der herrschenden Schicht eingesetzt wurden beziehungsweise werden. Es gibt viele Beispiele in der Geschichte, wo Volkstänze und Volkslieder der Unterschicht verboten wurden, wenn sie jegliche Form von Protest gegen die Regierung beinhalteten.

Beispiele dafür sind: Mikis Theodorakis (geb. 1925), griechischer Komponist, Volksmusiksänger und ebenfalls Volksmusikforscher.

Theodorakis hat viele Volkslieder und Volkstänze gesammelt, erforscht und komponiert. Das zentrale Thema in seinen Kompositionen behandelt die Ausbeutung des Volkes durch die herrschende Klasse. Als das Militär in Griechenland im Jahre 1967 mit einem Putsch an die Macht kam, wurde als Erstes angeordnet, die Lieder und Volkstänze, die von Theodorakis komponiert wurden, zu verbieten.

Victor Jara (1932-1973), chilenischer Dichter, Musiker und Liedermacher. Jara wurde aufgrund seiner Protestmusik gegen die faschistische Militärjunta ermordet und seine Musik wurde im Land verboten.

Ruhi Su (1912-1985), ein türkischer Volkssänger und Sazspieler armenischer Herkunft, dem nicht erlaubt war, in der Öffentlichkeit Volkslieder zu singen.

Ahmet Kaya (1957-2000), türkisch-kurdischer Musiker und Komponist, der aufgrund seiner Musik verhaftet wurde und anschliessend nach Frankreich flüchtete, wo er dann verstarb.

Laut Presseberichten vom 19. Juni 2014 wurde in der Türkei gegen 50 Soldaten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, mit der Begründung, sie hätten mit kurdischer Volksmusik einen kurdischen Kampftanz getanzt (http://www.bestanucel.com/video/video.php?videoid=2711).

Trotz dieser Gegensätzlichkeiten haben Volkstänze einen bedeutsamen Einfluss auf die professionelle Kunst der herrschenden Klassen ausgeübt. Sie sind ständiger Urquell der fortschrittlichen und humanistischen Berufskünstler geworden. Ein Beispiel dafür wäre Bela Bartok aus Ungarn. Bela Bartok hat sich vor allem mit rumänischen Volkstänzen beschäftigt und diesen zu Verbreitung verholfen.

Oben bereits genannter Mikis Theodorakis hat für den Film „Zorbas“ die Musik komponiert. Der berühmten Volkstanz „Sirtaki“ verdankt diesem Film seinen hohen Bekanntheitsgrad.

Der aus Süditalien stammende Volkstanz „Tarantella“ hat viele weltweit bekannte Komponisten, unter Anderem F. Schubert, G.Rossini, F.Liszt, S. Rachmaninow, F. Chopin, P. Tschaikowski und K. Weil, fasziniert, was dazu geführt hat, dass die „Tarantella“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Tarantella) in einige ihrer Werke eingeflossen ist.

Bei dem Volkstanz „Tarantella“ handelt es sich um die Behandlung einer von einer giftigen Spinne gebissenen Frau, die sich mit bestimmten Körperbewegungen von dem Gift befreien soll.

Der volkstümliche Stil des Tanzes wird wesentlich von den Existenzbedingungen des Volkes, seiner Geschichte, Arbeits- und Lebensweise, Kultur und dem Temperament bestimmt.

Sobald in den Tanz Bewegungen hineintragen werden, die dem Volk nicht eigen sind oder in einer fremden Manier ausgeführt werden, dann wird der ursprüngliche Stil des Tanzes gestört und verliert somit seinen volkstümlichen Charakter.

Wenn wir aber die Elemente des Tanzes entwickeln und technisch vervollkommnen, seiner Idee und seinem Charakter gerecht werden und die Eigenheiten sowie die typischen Bewegungen des Volkes beibehalten, dann wird der Entwicklungsprozess des Tanzes gefördert.

Im Prinzip sind die Bewegungen vor allem bei Gruppentänzen nicht schwierig. Die vorherrschende Form von Gruppentänzen ist der Kreis. Der Kreis hat vor allem einen mythologischen Hintergrund.. Gregor von Nyssa zu dem Kreistanz sagte „ Tanz ist der Rückkehr in die ursprüngliche Ordnung der Schöpfung (alles Kreisförmigen), die in rhytmischer Weise weitergeht“. Im Kreis sind alle gleich zur Mitte, es gibt keinen Anfang und kein Ende, keiner ist der Erste und keiner ist der Letzte. In vielen Religionen ist Tanzen eine uralte, Gebetsform. Wie z.B.bei Aleviten in der Türkei ist Semah ( religiöser Tanz) untrennbares Bestandteil des Gottesdienstes, ähnliches gilt für Schamanen und viele andere Religionen im Indischen -asiatischen Raum.

Um Volkstänze gut zu tanzen, müssen wir nicht nur den Tanz, sondern auch die Musik verstehen, sowie das Leben, die Sitten und Gebräuche und die Geschichte des Volkes kennen.

Tanzen und lernen

 

 

„Jeder ist ein Tänzer“. So lautet die Philosophie von Anna Halprins, einer bekannten Tänzerin. (Stelter, K. :Tanz- und Musikjournal in Freiburg, Dezember 2000). Sie entdeckte die heilsame Kraft des Tanzens neu. Der Tanz und das Tanzen im Allgemeinen und der Volkstanz im Besonderen haben für die Menschen, früher wie heute, vielfältige Bedeutung und entwicklungsfördernde Funktion:

Die Sozial-kulturelle Ebene: Es gibt kaum einen Lebensbereich, bei dem der Volkstanz keinen Platz hat. Bei Hochzeiten, religiösen wie nationalen Feiertagen, aber auch bei regionalen traditionellen Anlässen, wie dem Erntefest oder Gemeinschaftsarbeiten im Dorf spielen Volkstänze eine tragende Rolle. Sie haben die soziale Aufgabe, Verbundenheit und die Gewissheit um gemeinsame Geschichte und Zukunft zum Ausdruck zu bringen. Tanzend gelingt es den Menschen dabei, sich als Teil ihrer Gesellschaft zu erleben. Mit dem Tanzen werden kulturelle Werte und Normen des jeweiligen Volkes fast ohne Worte weitergegeben. Der tanzende Mensch identifiziert sich mit der tanzenden Gruppe, mit der Gesellschaft, bekommt Sicherheit, Solidarität und entwickelt seine Identität.

Die kommunikative Ebene: Tänzerinnen und Tänzer kommunizieren mit ihren Tanzbewegungen und Gesten, also per Körpersprache. Dies tun sie mit sich selbst, mit der gesamten Tanzgruppe, mit einem insgeheim Auserwählten oder einer Auserwählten, mit anderen Gruppen oder Zuschauern und mit der Gesellschaft überhaupt. Der individuelle Ausdruck geht hier mit überlieferten Schritten und Gesten - im wahrsten Sinne des Wortes - Hand in Hand. Tänzer und Tänzerinnen erfahren, dass lohnend ist, sich zu zeigen, mitzuschwingen und sich doch, mit zum Teil winzigen Betonungen und Eigenheiten, ein persönliches Alleinstellungsmerkmal zu setzen.

Die kognitive und erzieherische Ebene: Die Tanzenden lernen in der Gruppe Körperbewegungen und Stilistik in Begleitung von Musik. Sie sortieren und kategorisieren die Tänze nach Rhythmen, Tanzgattungen, nach den Regionen, nach der gespielten Musik, nach Musikinstrumenten oder nach Tanzformen, aber auch nach verschiedenen Orts-, Stammes-, Berufs-, oder Eigennamen, sowie nach der Art der Bewegung, der Tanzschritte und den inhaltlichen Themen. Sie eignen sich unterschiedliche Schrittfolgen und Rhythmen, Lieder, Geschichten zum Hintergrund des Tanzes und die Fähigkeit, sich auf andere Menschen einzustellen und mit ihnen umzugehen, an. All dies passiert gleichzeitig und oftmals mit erstaunlicher Leichtigkeit.

Komplexes Lernen ereignet sich im Tanz überraschend einfach: ausprobierend, beobachtend, nachahmend, reflektierend, wiederholend, fühlend - sowohl persönlich wie gemeinschaftlich motiviert.
 

Entwicklungsförderung durch Tanz

Für die bessere Anschauung möchte ich hier die vorab dargestellten Funktionen des Volkstanzes konkretisieren:

Auf der körperlichen Ebene werden mit dem Tanzen körperliche Koordination, körperliche Beherrschung, fein- und grobmotorische Beweglichkeit, Kraft, Ausdauer und Raumorientierung positiv entwickelt.

Das Tanzen fördert kognitive Prozesse wie z. B. sich Abläufe und Schrittfolgen zu merken, sich diese anzueignen, zu zählen, sich zu erinnern. Zudem finden Emotionen, wie Freude, Spaß, Zufriedenheit, aber auch Melancholie und Trauer individuell und gemeinschaftlich Ausdruck. Improvisationsfähigkeit und Kreativität werden gefördert und entwickelt.

Das Tanzen unterstützt außerdem die Sensibilisierung und Verfeinerung der zeitlichen und räumlichen Wahrnehmung, z. B. durch Pausen, Unterbrechungen, Tempounterschiede, Platzierung im Raum, Aufstellung in einer Reihe, in einem Kreis, auf einer horizontalen oder vertikalen Ebene, die räumlichen Richtungen wie rechts, links, tief, hoch, gerade, kurvig, lang, kurz, weit, nah, etc.

Die körperlichen Bewegungen beim Tanzen in Begleitung mit Musik haben auch mit neurologischen Strukturen zu tun. Die Komplexität von Musik und Bewegung aktivieren und fördern verschiedene Zentren (Areale) des Gehirns und vernetzen diese Areale miteinander. Dadurch wird das Lernen effizienter und nachhaltiger. Dieser neurologische Aspekt des bewegten Lernens müsste in der pädagogischen Praxis weitaus mehr Berücksichtigung finden. Erziehungsinstitutionen und Schulen, die Tanz, insbesondere Volkstanz aus verschiedenen Regionen, anbieten und selbstverständlich praktizieren, sorgen zudem für kognitiven, sozialen und kulturellen Gewinn und fördern das Zusammenleben in unserer pluralen und multikulturellen Gesellschaft. Denn Tänze aus aller Welt, als Teil des Bildungsangebots für Kinder und Jugendliche, sind ein passgenaues Mittel gegen kulturelle Verarmung, Gewalt, Rassismus und gegen die Verbreitung ethnisch geprägter Vorurteile.

Tanz-kulturelle Übersetzung:

 

Wenn Volkstänze von verschiedenen Ländern in einer interkulturellen Situation gelernt werden, ist für die Verständigung der Teilnehmer eine tanz-kulturelle Übersetzung erforderlich. Die tanz-kulturelle Übersetzung ist aber keine „eins-zu-eins“ Übersetzung, sondern eine Bedeutungsübersetzung von einer Kultur in die andere. Der Volkstanz ist als kollektive und schöpferische Kunst eines Volkes durch die Lebens- und Arbeitsbedingungen dieses jeweiligen Volkes geprägt. Diese Kunst ist sehr komplex und trägt im Prinzip die kulturellen Eigenschaften des Volkes.

Wenn zwei Kulturen aufeinander treffen, müsste die Übersetzung auf so eine Weise angefertigt werden, dass die Menschen aus beiden kulturellen Gruppen einander begreifen und verstehen können.

Hier ist die Übersetzung eine Mischung von beiden Kulturen, die im Ganzen weder zu einer noch zu der anderen Kultur gehört.

So kann man sagen, dass wenn ein Volkstanz der Kultur A in die Kultur B übersetzt wird, eine Übersetzung entsteht, die als eine Mischung beider, als C, bezeichnet werden kann. Vorherrschend wird diese Meinung über einen aus der Übersetzung resultierenden dritten kulturellen Raum C, der weder zu A noch zu B gehört, vertreten.

Es ist anzumerken, dass die Kulturwissenschaftler jedoch über das Wesen der Übersetzung in einem interkulturellen Kontext streiten. Ich möchte hier die Diskussion darüber nicht weiter vertiefen und verweise auf weitere Literatur (Ali Ucar: Kulturdolmetscher in: www.lehrer-info.net).

GOVENDA KURDI (Kurdische Volkstänze)

 

In der kurdischen Kultur haben die Musik und Tanz sowohl in religiösen als auch außer religiösen Bereichen einen hohen Stellenwert. In vieler kurdischen Stämmen und Gruppen bilden sogar Musik und Tanzen bei der Praktizierung ihrer Glauben und religiösen Feierlichkeiten eine hervorragende Rolle.

„Tanzen und Singen ist unser Leben“ mit dieser sprichwörtlichen Aussage bringen viele Kurden ihre Haltung zur Musik und vor allem zum Volkstanz zum Ausdruck.

Kurdische Volkstänze werden im allgemeinen in der kurdischen Sprache „Gowend“ genannt. In manchen Regionen wird dafür das Wort „Dilan“ benutzt.Gowend bedeutet gemeinsam singen und tanzen

Die oben über Volkstänze allgemein aufgeführten Grundsätze gelten auch für die kurdischen Volkstänze.Kurdische Tänze sind ausgesprochen vielfältig. Seit Jahrtausend leben die Kurden mit vielen Völkern des Mittleren Ostens und von Mezopotamien zusammen. Die Völker haben sich im laufe der Geschichte kulturell gegenseitig einender beeinflusst. In kurdischen Tänzen findet man Spuren und Symbole vor allem mezopotamischer,alt-iranischer und anatolischer Naturreligionen häufig. Landschaftliche Naturbedingungen, nomadische, halbnomadische und bäuerliche Lebens´-und Arbeitsweise vor allem mit Tierzucht prägen inhaltlich die Volkstänze sehr stark. Fruchtbarkeits-und Dürrezeramonien, Kriegs- und Heldentumsgeschichten bilden weitere Themen der kurdischen Volkstänze.

Die politische Unterdrückung,Verleugnung der Existenz und der Identität, Diskriminierung des kurdischen Volkes usw. kommen ebenfalls in kurdischen Volkstänzen zum Ausdruck.

Die Kreisform ist herrschende Form der kurdischen Volkstänze. Es wird häufig erzählt,dass in den Dörfern bei großen festen wie z.B. bei Hochzeitfesten Tanzkreise mit 200-300 Männern und Frauen bilden und 7 Tage und 7 Nächte tanzen und feiern..Die Kreisform hat einen mythologischen Hintergrund. Das Feuerkult in der kurdischen Kultur ist tief verwurzelt. Das Feuer (Ar) wird als Erscheinung der Sonnengöttin auf der Erde betrachtet.. Es ist das Licht für Gutes gegen die Dunkelheit ( böses) verstanden. Diese dualistische Vorstellung ( Licht und Dunkelheit), die ihre Ursprung in der Zarathustra-Religion findet,ist in kurdischen Kultur bis heute lebendig gehalten,was auch man z.B. bei Feierlichkeiten des Newrozfestes deutlich sehen kann. Deshalb hat das Feuer und die Feuerstelle für Kurden eine heilige Bedeutung. Das Feuer und seine Stelle wird als Mitte, als Zentrum des Lebens betrachtet.Um Mitte des Lebens wird daher der Kreis zum Tanzen gebildet.Im Tanzkreis ist jeder Tänzer gleich und jeder hat die gleiche Entfernung zum Zentrum des Lebens. Es gibt kein Ende und keinen Anfang. Tanzrichtung ist gegen Uhrzeigersinn,gegen den Lauf der Zeit. Im Allgemeinen tanzen die Frauen und Männer Hand an Hand um das Zentrum des Lebens zusammen. Tanzen in Reihen ist ebenfalls eine häufige Tanzform der kurdischen Volkstänze. Diese Form hat auch einen mithologischen Hintergrund. Das Strahlen von Sonne ( Sonnengöttin ) auf Lebewesen und Gegenstände in Universum haben eine gerade Form.Dies wird im Tanzen symbolisiert.

Tanzen Hand an Hand hat ebenfalls einen energetischen Aspekt,nämlich durch die Festhaltung der Hände findet einen energetischen Ausgleich statt. Energieströmungen gehen von einem zum Anderen durch den Körper und durch den ganzen Kreis. In dieser Form Tanzen ist von der Glaubensvorstellungen her eine ganzheitliche Gebetsform zu betrachten.

Linke Hand nach oben empfängt,was heiliges und rechte Hand nimmt dies und gibt nach unten weiter. Mit Tanzen wird das Gemeinschaftsgefühl, Identität, Frieden,Solidarität, Gleichheit weiter entwickelt

Musikinstrumente der kurdischen Volkstänze:

 

Die Volkstänze werden mit unterschiedlichen Musikinstrumenten,je nach der Region, der Musik und desTanzes begleitet. Hier möchte ich nur einige von diesen Instrumenten erwähnen.

Blasinsrumente: Oboe ( Zurna),Querflöte( Blur), Mey, Sackpfeife (Tulum),Klarinette,Doppelklarinette ( Duzala)

Saiteninstrumente; Tanbur, Langhalslaute ( Saz),Fidel ( Lir,Kemence),Geige (Keman)

Schlaginstrumente: Große Zylindertrommel ( Davul), Bechertrommel ( Handtrommel, Darbuka),Schellenhandtrommel ( Def).

Davul und Zurna sind die Instrumente, die am häufigsten die Volkstänze begleiten .

Bei großen Festen und Feierlichkeiten stehen der Trommel und Oboe in erster Stelle .

In vielen kurdischen Tänzen in Begleitung von Musik werden Lieder ganz laut gesungen.

Ein wichtigere Charakteristikum der kurdischen Tänze ist es,dass die Tanzenden vor allem die Frauen , sehr bunte Kleider anziehen. Sie tragen also Kleider mit aller Farben, die in der Natur vorkommen. In der kurdischen Kultur „ Siebenfarbe“ ( Heftreng) stellen einen Symbolcharakter dar.

Das kurdische Volk hat ein sehr reiche volkstümliche Kultur. Die Vollkmusik und Volkstänze als Bestandteil dieser Kultur sind sehr Vielfältig und von Form ,Inhalten,Musik ,Melodien,Rhythmen,Instrumente, Kostümen etc. von Region zu Region sehr unterschiedlich . Gerade diese Verchiedenheit macht das kurdische Kultur sehr reich. Kurdistan ist unter Vier Länder geteilt. Das Volk ist politisch unterdrückt,wenn auch politische Unterdrückung je nach Land unterschiedlich ist. Sie sind eine starke Assimilation ausgesetzt, ihre Sprache ist in manchen Länder sogar verboten, ihre Existenz wird verleugnet,ihre Identität wird zerstört, ihre Kultur , ihre Lebensweise werden verachtet. .Hinzu kommen feodalistische und halbfeodalistische Strukturen , die in vielen Regionen das Leben und Arbeiten des kurdischen Volkes noch prägen , erheblich erschweren und ausbeuten.

Das traditionelle Kultur,vor allem Volksmusik und Volkstänze werden mündlich überliefert, weil Schriftsprache verboten ist oder wenn es nicht gesetzlich verboten ist, aber faktisch nicht gefördert ist, z.B.keine Schulen, keine sprachliche Förderung

Trotz der Unterdrückung , Assimilation und Verbote haben die Kurden durch die lebendige mündliche Überlieferung ihre Kultur, ihre Musik und ihre Volkstänze, geschützt und weiter entwickelt. Eine große Rolle spielen die Dengbej (Volksdichter,Aşık) bei diesem Überlieferungsprozess. Nicht nur die Dengbej, sondern , Istıranbej ( Liedersänger), Cirokbej ( Geschichtserzähler) spielen ebenfalls bei diesem gesamtgesellschaftlichen Überliereungsaufgabe eine große Rolle.

 

Tragende Gegenstände: Nicht bei allen aber bei einigen kurdischen Tänzen werden für die inhaltlichen Darstellung folgenden Gegenstände getragen: Kerze, Feuer, Stock, Krug, Löffel, Teller, Hirtentasche (Turek), ein buntes Tuch (Desmal), Querflöte (Blur, Hirtenflöte ), Nudelholz (Tirek ), Teşi (Holzgerät zum Wollespinnen), kleine Pfanne, Tablet, Messer, Säbel, Schwert, Sichel,Sack für Ernte, verschiedene Waffen usw.

Diese Gegenstände werden für bestimmte Zwecke, meistens für eine inhaltliche Darstellung der jeweiligen Tanzbewegungen, benutzt.

Das bunte Tuch (Desmal, Mandil, Mendil):

 

In vielen kurdischen Tänzen, sowohl in Reihentänzen als auch in Kreistänzen, hält immer der erste Tänzer und manchmal auch der letzte Tänzer ein buntes Tuch (Desmal) in der Hand. Der erste Tänzer führt den Tanz mit den Tuchbewegungen an und gibt Zeichen für beispielsweise Tanzbeginn, Schrittwechsel, Taktwechsel, Tempoänderung, bestimmte Tanzfiguren, Beginn zum Singen oder als Zeichen für bestimmter Tänzer, dass sie sich von der Reihe oder dem Kreis ablösen, in die Mitte kommen und andere Tanzbewegungen gestalten usw.

Ausschließlich aus ästhetischen Gründen können andere Tänzer das bunte Tuch ebenfalls tragen.

Dies kann unter Anderem bei Hochzeitsfesten häufig vorkommen.

Das bunte Tuch kann in allen Farben sein, die in der Natur vorkommen: rot, blau, gelb, grün, lila, weiß usw. Die rote Farbe wird aber häufig getragen,sie ist eine Reizfarbe und hebt Wichtiges hervor. Da die schwarze Farbe Trauer,Tod und was böses bedeutet, wird nicht benutzt.

Das Tuch kann auch mit Perlen oder ähnlichen Gegenständen geschmückt sein.

Desmal, das bunte Tuch, hat in der kurdischen Kultur noch viele andere Bedeutungen.

Es ist ein traditioneller Geschenkgegenstand. Insbesondere verliebte junge Männer und junge Frauen schenken einander ein buntes Tuch, vor allem in roter Farbe und in einer Ecke verknotet oder mit ersten Buchstaben des Namens beschriftet ist. Die Knote bedeutet hier„Nichtvergessen“,es ist also eine Gedächtnisstütze.

Das bunte Tuch hat hier eine symbolische Bedeutung für Liebe, Leidenschaft,Verbundenheit, Herz, Wärme, als Versprechen für eine künftige Heirat. Im weiteren Sinne ist es ein Kommunikationsmittel.

In vielen Regionen ist bei Heiraten die Tradition,dass der Vater des Jungen zu dem Vater des Mädchens geht, um den Heiratswunsch seines Sohnes zu übermitteln und die Zustimmung dafür abzuholen.

Wenn der Vater des Mädchens seine Zustimmung verweigert, kann der Vater des jungen Mannes ein bereits mitgebrachtes buntes Tuch aus seiner Tasche ziehen und dem Vater vom Mädchen übergeben

Hier hat das Tuch eine andere Bedeutung, nämlich, dass der Vater des Mädchens aufgefordert wird, noch einmal über seine Zustimmungsverweigerung nachzudenken.Das Mandil kann auch ebenfalls als Schmuckstück benutzt werden wie z.B bei Ziegenbockssprungsfest .Hier wird der Ziegenbock geschmückt und seinen Hals wird mit einem in verschiedenen Farben geprägten Tuch umgewickelt, am Ende der Feierlichkeit bekommt der Hirte dises Tuch als Geschenk.

Die Rituale des bunten Tuches sind in ländlichen Gebieten sehr verbreitet. Es ist auch Gegenstand von vielen Liedern und Tänzen.

Das bunte Tuch verbergt also viele Wünsche, Hoffnungen, Leidenschaft,Geheimnisse und ebenfalls Signale für Respekt,Anerkennung, Freude in der kurdischen Kultur.

Paartänze: Gibt es Paartänze in der kurdischen Kultur? Diese Frage wird häufig gestellt.

Es gibt bestimmte Regionen in Kurdistan, wo auch Paartänze vorkommen, allerdings ist das sehr selten und des Weiteren unterscheiden sie sich grundsätzlich von europäischen Paartänzen. Es gibt Regionen,wo Männer und Frauen paarweise tanzen, ohne einander anzufassen. Aus der Region Varto/ Muş gibt es einen Volkstanz,der Memyane heißt.Bei diesem Tanz wird in einer Versiyon paarweise getanzt. Die Paare stehen Hand in Hand hintereinander und bilden eine Tanzreihe. Männer und Frauen tanzen in der Reihe miteinander, sie machen die gleichen Schritte. Während meiner Recherchen habe ich keinen anderen Paartanz im kurdischsprachigen Kulturkreis gefunden. Der Paartanz wird in der Gesellschaft als “nicht gut” angesehen und daraufhin auch nicht gefördert. Dies hat meines Erachtens mit der islamischer Religion und der gesellschaftlichen Stellung der Frau zu tun. Nach der Schariaordnung ( Schariaordnung ist die Gesamtheit der religiösen und rechtlichen Vorschriften) hat die Frau eine niedrige gesellschaftliche Stellung. Sie darf in der Öffentlichkeit nicht mit einem Mann tanzen, da dies ein Verstoß gegen die rechtlichen und religiösen Vorschriften ist. Das kurdische Volk gehört zum größten Teil zur islamischen Religion und hat 600 Jahre lang unter osmanischen Herrschaft nach der Schariordnung gelebt. Daraufhin wurden die Paartänze, wenn auch nicht direkt aber indirekt, verboten und nicht gefördert.

Es gibt leider ganz wenige wissenschaftliche Untersuchungen über kurdische Kultur vor allem über Volksmusik und Volkstänze des kurdischen Volkes.

Die kurdischen Volkstänze sind, wie ich oben erwähnt habe, von Region zu Region sehr unterschiedlich, In einem solchen kleinen Aufsatz kann man sich nur auf Tänze aus einer Region , einer Stadt, sogar aus einem Dorf beschränken. Hier sind einige Tänze,die in der Tanzgruppe gelernt werden.

 

1- Serdesti 2- Giranî 3- Zifkiro 4- Cepkî 5- Kipkî 6- Sivikî 7- Yar Kuşte 8- Delîlo 9- Temmir Axa 10- Bawlêkan 11- Bagiyê 12- Yawşerme 13- Memyanê 14- Xoşankî 15- Kelekvan

16- Yarê 17- Du Qor 18- Qocgirî 19- Esmer 20- Giranî-Bedlîs 21- Şêranî 22- Xoş Bilezik 23- Papurê 24- Şemmamê 25- Kaşkaşok 26- Qaydê şûnê-Dicîde 27- Sernigkî 28- Esmer-ç açan 29- Şêrêzdîn 30- Şexani 31- Elo Dino 32 -Ez Xelefım

 

Viel Spass beim Lernen und Tanzen!

 

Prof.Dr.Ali Ucar

Technische Universität Berlin

(Zusammengefasst aus den Unterlagen des Seminars mit dem Thema „Körpersprache und Körperausdruck im interkulturellen Kontext“ im SS 2009

-ucar_ali@yahoo.com -http:/www.evin-ev.de/ucar/)

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